2. Pressemitteilung des Museum Ratingen:
Ralf Witthaus
Leb das Leben
12.07.2021 – 18.07.2021
Ratingen Viele Passanten fragen sich in diesen Tagen, was da wohl im Erholungspark Volkardey am Grünen See vor sich geht. Seit Montag, 12. Juli 2021, kann man dort auf der großen Wiese zwischen der Landzunge und dem Eisenzeitlichen Gehöft eine Gruppe schwarz-weiß gekleideter Menschen beobachten, die mit Motorsensen, Rasenmähern und anderem Gerät sorgfältig eine Bodenzeichnung ins Gras schneiden. Wer interessiert nachfragt, bekommt bereitwillig Auskunft: Das Museum Ratingen lud im Rahmen des Jugendkulturjahres 2020/21 den Künstler Ralf Witthaus ein, ein temporäres Landschaftskunstwerk zu gestalten. Und das passiert gerade. Wie schon an vielen Orten im In- und Ausland, bezieht sich seine Konzeption auf lokale Besonderheiten, die er akribisch recherchierte. Hier erregten einerseits die archäologischen Funde aus der ehemaligen Kiesgrube seine Aufmerksamkeit, die ein kenntnisreicher Ratinger Sammler für die Nachwelt sichert. Darunter viele tausend Jahre alte Mammutstoßzähne. Die liefern jetzt das Motiv für die Rasenzeichnung. In stilisierter Form werden sie in einer schier unendlich erscheinenden Anzahl ins Gras gemäht. Sie biegen sich wie auf einem breiten Pfad zueinander hin und voneinander weg. Wer ihnen folgt erkennt vielleicht, dass Ralf Witthaus damit an etwas Urgeschichtliches, fast Vergessenes erinnert, an ein überwältigendes Bild: Generationen von Mammutherden müssen durch diese Region gezogen sein. Große Mengen von Relikten werden noch tief unter der Grünfläche vermutet. Sie könnten viel vom Leben und Sterben der großen Tiere erzählen, aber auch dem unserer damaligen Vorfahren. Ein zweiter, ein geistiger Aspekt schwingt ebenfalls mit. Auch Generationen von Ratingern gingen und gehen hier ihrer Wege. Vergangenheit und Zukunft fließen ineinander. Vielleicht löst der Gang über den „Mammutpfad“ einen Moment des Innehaltens und Nachsinnens über die Endlichkeit jeglichen Leben aus. Wie ein Memento Mori mahnt es, die eigene begrenzte Zeit verantwortungsvoll zu gestalten. Aber gerade auch im Hinblick auf die Nachkommen sollte es zukunftsgerichtet geschehen.
In diesem Zusammenhang steht auch der Titel der Arbeit: „Leb das Leben“ – in Anlehnung an Verse von Paul Celan, die mit den Worten beginnen: „Leb die Leben, leb sie alle“. Nadja Röder, ehemalige Schülerin des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, schickte diese Zeilen an Witthaus, weil sie darin viel vom eigenen Heranwachsen in Ratingen-West gespiegelt findet. Sie war ihm als Autorin einiger Gedichte im Sammelband „Beton und Poesie“ aufgefallen und nahm deshalb Kontakt zu ihr auf. Dieses Beispiel zeigt, dass der Künstler bei der Entwicklung seiner Planungsarbeit gern auf Impulse von Menschen eingeht, die in ihrem Leben vor Ort etwas Besonderes erfahren oder bewirkt haben. Er hält die Broschüre für eine kleine lokale Kostbarkeit. 1989 stellte sie den krönenden Abschluss einer Schreibwerkstatt für Schülerinnen und Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums aus Ratingen-West dar. Zu verdanken war das ambitionierte Projekt dem Engagement des Lehrers Heiner van Schwamen, der auch die Textsammlung herausgab. Ralf Witthaus‘ Arbeiten entwickeln sich also nicht im luftleeren Raum und unter seiner Kunst will er mehr als die fertige Rasenmäherzeichnung verstanden wissen. Der vollständige Entstehungsprozess macht das Gesamtkunstwerk aus: also die lokale Verortung, die Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, das Zusammenspiel des Teams bei der Arbeit, die festliche Kleidung, die Präsentation zum Schluss und dann das langsame Nachwachsen des Rasens, in dem man das Bild noch eine kurze Weile an der unterschiedlichen Grünfärbung ausmachen kann. „Das Ganze ist ein Fest“, so erlebt es der Künstler.
Am Samstag, den 17.7.21, findet um 16 Uhr ein Picknick mit Ralf Witthaus und den Freunden und Förderern des Museums Ratingen statt, am Sonntag, 18. Juli, um 15 Uhr ein Künstlergespräch, zu dem alle Bürgerinnen und Bürger herzlich willkommen sind. Treffpunkt ist jeweils die große Wiese zwischen der Landzunge und dem Eisenzeitlichen Gehöft am Grünen See in Ratingen-West.
Ein großes Dankeschön geht an das Jugendkulturjahr 2020/21, die vielen ehrenamtlichen Helfer und STIHL, offizieller Ausrüstungspartner von Ralf Witthaus.