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„Nein, diese Ketten kann man nicht kaufen. Der einzige Weg, an so eine Halskette zu kommen, ist dass Sie jemanden aus diesem Dorf heiraten!“, die Gruppe älterer Frauen fängt herzlich an zu lachen. Sie haben meine Geschichte gehört und unseren Versuch in den hiesigen Juweliergeschäften eine dieser alten Korallenketten zu erwerben. Das war noch vor dem Kunstprojekt Anfang des Jahres, mir war bereits klar, dass es nach dem Projekt womöglich unerschwinglich werden würde, eine dieser alten Schmuckstücke zu erwerben. Aber wie wir feststellten – auch vorher gab es nicht eine einzige auf dem Markt. Auch das empfand ich als bemerkenswert.
Jede von den Frauen im Raum trägt eine solche Halskette, die über viele Generationen von Mutter zur Tochter weitergegeben worden ist. Oder auch den traditionellen Ohrschmuck, beides Geschenke von Männern, die vor 150 bis 300 Jahren in die Ferne gingen, um mit Vermögen zurückzukehren. Die meisten gingen nach Palermo, der Herkunftsort der Halsketten aus roten Korallen. Das war eine risikoreiche Reise zu der Zeit – bis heute sind die Testamente junger Männer, die die Reise antraten, in Archiven zu finden. Und doch gelang es vielen erfolgreich zurückzukehren, um die Auserwählte zu heiraten. So ging es über etliche Generationen.
In Publikationen hatte ich die Halsketten schon gesehen, aber jetzt konnte ich mir einen Eindruck von den Originalen machen. Sie variieren leicht, das was sie alle gemein haben, sind die roten Korallen, zylinderförmig, oder etwas runder, manche auch ganz als Kugel gearbeitet. Dazu gesellen sich große silberne Perlen – goldene Perlen sind jüngeren Datums. Die Halsketten erinnern an einen Rosenkranz. Es gibt sie als einfache Halskette, aber auch als doppelte und dreifache. Auch die silbernen Elemente haben unterschiedliche Ornamentik, manche sind gegossen, andere kunstvoll aus Draht gewickelt und weiterverarbeitet. Heute haben die Ketten stabile Verschlüsse, die sind nachträglich eingesetzt worden, früher wurden sie oft mit Stoffbändern versehen und damit gebunden.
Wir haben uns auf den Weg gemacht, weil wir die Geschichte dieses Projektes auch anhand der lebendigen Tradition erleben wollen. Wir fragen sie, ob wir Portraitaufnahmen von Ihnen mit der Korallenkette machen können und was sie über die Halsketten wissen. Die Frauen, bei denen wir in Livo – nahe Musso – zu Besuch sind, erzählen uns, dass die meisten dieser Halsketten heutzutage eher im Schmuckkästchen der Familien verbleiben. Und auch, dass niemand mehr die Namen der Beschenkten oder der Schenker weiß – zu viele Generationen sind vergangen. Aber die Geschichte und Bedeutung der Korallenketten hat noch immer Präsenz: Jeder kennt die Geschichte und niemand würde eine solche Korallenkette verkaufen. Bis heute tragen einige Frauen die Ketten auf besonderen Anlässen, oder zum Gottesdienst. Die Ketten werden auch immer noch von Mutter zu Tochter weitergegeben. In der Kirche selbst ist das Marienbild und ein Jesuskind mit ebensolchen Korallenketten geschmückt.
The necklace with red corals
„No, you can not buy these necklaces. The only way to get such a necklace is to marry someone from this village!“, the group of older women is beginning to laugh. They have heard my story and that we have been trying to acquire one of these old coral chains in the local jewelery shops. That was before the art project at the beginning of the year. It was already clear to me that after the project it would be unaffordable to buy one of these old jewelery. But as we noted – even before there was not a single necklace on the market. This was remarkable, too.
Each of the women in the room wears such a necklace, which has been passed on from mother to daughter for many generations. Or the traditional ear jewelery, both gifts from men who went to far away places 150 to 300 years ago to return with fortune. Most went to Palermo, the place where the necklaces of red coral come from. This was a risky journey at that time – the testaments of young men who left for the travel were found in archives until today. And many succeeded to return successfully – to marry the chosen one. So it went on for several generations.
In publications I had already seen the necklaces, but now I could get an impression of the originals. They vary slightly, but what they all have in common are the red corals, cylindrical, or a bit round, some also as a ball. And there are large silver beads – golden beads are more recent, not from that time. The necklaces remind of a rosary. It is available as a simple necklace, but also as a double and a triple. Also the silver elements have different ornamentation, some are cast, others artfully wire wound and further processed. Today, the necklaces have sturdy fasteners, which have been set in afterwards, in the past they were often provided with textile ribbons and bound with them.
We come there, because we wish to get know the history of this project by the lively tradition. We ask them if we can make portraits of them with the coral necklace and what they know about them. The women we are visiting in Livo, near Musso, tell us that most of these necklaces nowadays remain in the family’s jewelery box. And also that no one knows the names of the recipient or the donor – too many generations have passed away. But the history and importance of coral chains is still present: everyone knows the story and no one would sell such a coral necklace. To this day some women wear the necklaces on special occasions, or to the church. The chains are still passed from mother to daughter. In the church itself, the image of the Virgin Mary and a child of Jesus are decorated with the same coral chains.
fotos: (C) Harald Neumann